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Use Cases die funktionieren. Die Praxistipps zu Marketing Automation.

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Fallstudie: Augmented Kundendienst im E-Commerce bei Fressnapf

Von Lea Böhm, Head of E-Commerce bei Fressnapf Schweiz / Maxi Zoo Suisse

Ausgangslage 

Happier pets, happier people. Das ist die Mission von Fressnapf. Fressnapf ist grösste europäische Einzelhändler für Tierbedarf, der seit 1998 in der Schweiz präsent und Nummer 2 im hiesigen Markt ist. Online und in 64 Filialen bietet Fressnapf in der Schweiz 10'000 Artikel für das liebe Haustier: vom Hundesnack, über den Kratzbaum, bis zum Vogelfutter. Aufgrund der stetig steigenden Haustierpopulation und einer gewissen Krisensicherheit der Branche, durfte das Unternehmen traditionell auf ein stetiges jährliches Umsatzwachstum im einstelligen Prozent-Bereich bauen. Das Online-Geschäft jedoch hat seit 2019 regelrecht geboomt mit durchschnittlich 40 Prozent Umsatzwachstum pro Jahr. 

Die Anzahl der Kundenkontakte im E-Commerce sind linear mit dem Umsatz mitgewachsen, und somit die Anzahl benötigter Kundendienstmitarbeiter. Um diese Linearität zu brechen, und das Verhältnis der Personalkosten zum Umsatz zu optimieren, lautet das Ziel für 2023/24: weiteres Wachstum (+25 Prozent Umsatz / Jahr) mit stabiler Anzahl Kundendienstmitarbeiter. Um trotzdem die gesetzten Qualitätsstandards und Antwortzeiten (max. 24 Stunden) sicherzustellen, soll jeder Mitarbeiter künftig knapp 60 Prozent mehr Kontakte pro Tag abwickeln.

Make or Buy

Im Hinblick auf Kosten und Skalierungspotential wäre das Outsourcing des Kundendienstes eine interessante Möglichkeit. Doch aufgrund einer durchgeführten Touchpoint-Analyse wurde diese Option ausgeschlossen. Fressnapf identifiziert 11 Touchpoints, darunter offensichtliche wie Geschäfte und Website, und weniger greifbare wie Google und Pakete. Eine unschöne Gemeinsamkeit der Touchpoints: Die Verfügbarkeit und Qualität der Daten sind mässig bis schlecht. Man wird sich bewusst, dass die Kunden lediglich an zwei Stellen aktiv Kontakt aufnehmen. Einmal in den Filialen zur Beratung – worüber keine Daten vorliegen – und eben im Onlineshop-Kundendienst. Hier kommen Kunden auf Fressnapf zu, eröffnen aktiv den Dialog und geben wertvolles Feedback. 

In vielen Marketingmodellen und Frameworks steht der Kunde zu Recht im Zentrum. Der Customer Service kommt dort meist in den «Herzstück-Phasen» zum Tragen, wenn es um Engagement und Loyalität geht. Fressnapf Schweiz entscheidet daher, diesen wichtigen Touchpoint nicht aus der Hand zu geben.

Kundenanfragen

Die am häufigsten gestellten Fragen der Kunden betreffen:

  1. Lieferzeiten und Verfügbarkeiten von Artikeln
  2. Schwierigkeiten bei Login und Navigation und
  3. Unsicherheiten bezüglich offener Rechnungen.

Dies klingt nach wenig komplexen Anfragen, die man mit einer speziellen Sucheinrichtung oder einem Chatbot lösen könnte. Wäre da nicht der hochgradig emotionale Charakter der Anfragen. Sie lauten nicht einfach nur «Wann kommt mein Paket?», sondern viel dringlicher «Versprechen Sie mir, dass meine Bestellung morgen kommt – mein Hund hat nichts mehr zu fressen?». 

Auch bei den Themen Pflege, Gesundheit und Ernährung ist es Kunden ein Bedürfnis, einige Details zu ihrem geliebten Tier zu erzählen, von erlittenen Krankheiten zu berichten und Sorgen zu teilen.  Diese Erfahrungen weisen auf eine noch geringe Affinität der Kunden für einen hohen Automatisierungsgrad hin. Das erworbene Vertrauen der Kunden soll weiterhin mit menschlichem Kontakt gepflegt werden. 

Auch das Unternehmen selbst sieht sich noch am Anfang der Digitalisierung der Kundenbeziehung, nicht zuletzt der fragmentierten IT-Infrastruktur wegen. Mit dieser Selbsteinschätzung ist Fressnapf nicht allein, denn 32 Prozent  der Schweizer Unternehmen sehen sich ebenfalls als Anfänger in diesem Bereich.

Automatisierung bei Kundenanfrageprozessen

Das Schlüsselwort bei der Automatisierung bei Fressnapf lautet Augmentation. Was der Customer Service braucht, ist eine sinnvolle Dosis an Augmentation. Ein Augmented Agent muss her, ein Kundendienstmitarbeiter mit einem Hauch von Terminator, dem Inbegriff der Augmentation. Doch was der Terminator dem Fressnapf Service Agent voraus?  Er hat immer alle relevanten Infos im Blickfeld und das passende Werkzeug zur Hand. Er muss sich nicht durch Programme und Masken klicken, um einen Überblick über Kundendaten, Kontakthistorie, Warenkörbe und Rechnungen oder aktuelle Promos zu erhalten. 

Mit der Integration eines neuen CRM-Cockpits und eines Upgrades der im ersten Lockdown angeschafften Telefonie-Lösung soll es gelingen, die Mitarbeitende schneller und besser zu machen. Ergänzt wird das Tool-Set durch eine Feedback- und Bewertungslösung, die nach jedem Kundenkontakt das Feedback der Kunden und die Einschätzung der Mitarbeiter per Smiley-Umfrage abholt, und die Ergebnisse miteinander abgleicht. 

Die wichtigste Neuorientierung bei Fressnapf betrifft die Rolle des Teamleiters. Auch er muss zum Augmented Team Leader werden, um seine Augmented Agents optimal zu unterstützen. Er muss ganz genau wissen, was gerade läuft und wann er eingreifen muss. Dazu muss der Austausch zwischen Kunden und Mitarbeitern messbar gemacht werden. Auftretende Abweichungen von einem definierten erwünschten Verlauf einer Kunde-Fressnapf-Interaktion triggern eine Nachricht, die ein Eingreifen oder ein Nachfassen ermöglichen.

Die neuen Systeme –  Opacc CRM, Cloudya CRM und Delighted by Qualtrics – werden miteinander vernetzt und definierte Ereignisse lösen eine E-Mail an den Teamleiter Kundendienst aus oder an weitere relevante Abteilungen wie Logistik oder UX/Web Development. Die beiden wichtigsten Domänen für die Ansiedelung von Triggern sind a) die Interaktion zwischen Kunde und Mitarbeiter und b) das Thema der Kundenanfrage.  Bei der Interaktion werden Dauer und Anzahl der benötigten Kontakte erfasst. Lange Telefonate und zu viel „Hin und Her“ im E-Mail-Verkehr triggern eine Nachricht an den Teamleiter, denn dies lässt darauf schliessen, dass ein Fall nicht zeitnah und zufriedenstellend gelöst wird. 

Das Thema der Kundenanfrage muss künftig zwingend bei Öffnung des Kundenkontos erfasst werden – per Klick in eine Maske. Sobald ein Thema, z.B. Login-Probleme, eine kritische Anzahl in Proportion zur Anzahl der gesamten Anfragen erreicht, wird eine Information an den zuständigen Web Developer ausgelöst. Somit wird man unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung der Mitarbeitenden was „viele“ oder „wenige“ Beschwerden zu einem Thema sind. Zum Abschluss erfolgt die Abfrage der Kundenzufriedenheit und der Match mit der Einschätzung des Kundendienstmitarbeiters. Eine gröbere Abweichung wir in der Kundenservice-Statistik sichtbar gemacht. Die Parameter für die Trigger, z.B. die Definition wie viele Minuten Call sind zu lang, müssen selbstverständlich laufend kontrolliert und optimiert werden. Abbildung

Fazit

Der vorgestellte Lösungsansatz bei Fressnapf ist vermutlich keine Lösung für die nächsten 10 Jahre, aber er macht den Fressnapf Onlineshop Kundendienst in kurzer Zeit fitter und ermöglicht, die Kundenbedürfnisse besser zu quantifizieren. Die Systeme sind skalierbar und sparen kurz- und mittelfristig Personalkosten. Somit „erkauft“ Fressnapf sich wertvolle Zeit, um parallel zum geplanten Wachstum eine langfristige Automatisierungsstrategie auszuarbeiten. 

Und sowohl Kunden als auch Mitarbeitende werden dort abgeholt, wo sie stehen und haben einen klaren Mehrwert aus der Automatisierung.

Abbildung 34: Automatisierte Prozesse bei Kundenanfragen bei Fressnapf Schweiz

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